Trainingskonzept für ARVC-Patient:innen: Sichere Bewegung trotz Herztod-Risiko
Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC) ist eine seltene genetische Erkrankung des Herzmuskels. Betroffene haben ein deutlich erhöhtes Risiko für potenziell tödliche Herzrhythmusstörungen – insbesondere bei intensiver körperlicher Belastung. Gleichzeitig ist Bewegung für viele Patient:innen ein wichtiger Bestandteil ihrer Lebensqualität. Ein Team aus Kardiolog:innen und Sportwissenschaftler:innen an der Technischen Universität München (TUM) entwickelt daher ein gezieltes Trainingskonzept für Menschen mit ARVC. Unterstützt wird das Projekt von der Deutschen Herzstiftung mit 100.000€ [1]. Ziel ist es, ein sicheres Bewegungskonzept zu schaffen, das gesundheitliche Vorteile bietet, ohne das Risiko zu erhöhen.
Erbkrankheit mit strukturellen Folgen für das Herz
In Deutschland zählt die ARVC zu den seltenen erblichen Herzmuskelerkrankungen. Etwa einer von 5.000 Menschen ist betroffen, wobei die Vererbung geschlechtsunabhängig mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 50% erfolgt.
Die Erkrankung führt zu strukturellen Veränderungen der rechten Herzkammer. Im Verlauf geht Muskelgewebe verloren, es lagern sich Fettzellen ein und es entstehen Vernarbungen. Der Herzmuskel wird dadurch zunehmend geschwächt. Dieser Umbauprozess begünstigt elektrische Instabilitäten, die im fortgeschrittenen Stadium lebensbedrohliche Rhythmusstörungen auslösen können [1]. Ursächlich ist eine Störung der Zellverbindungen im Myokard: Die Herzmuskelzellen sind über sogenannte Desmosomen miteinander verbunden. Bei ARVC lösen sich diese Zellbrücken allmählich auf – die strukturelle Integrität des Herzgewebes geht verloren.
Unter Betroffenen herrscht oft Unsicherheit in Bezug auf körperliche Aktivitäten
Typischerweise manifestiert sich die Erkrankung erstmals während der Pubertät – und betrifft damit eine besonders vulnerable Altersgruppe. Viele Betroffene wissen nicht, ob und in welchem Umfang sie sich körperlich belasten dürfen. Diese Unsicherheit betrifft nicht nur sportliche Aktivitäten, sondern auch alltägliche Situationen. Unter Ärzt:innen hält sich zum Teil die Empfehlung, bei ARVC grundsätzlich auf Sport zu verzichten. Diese pauschale Vorsichtsmaßnahme gilt jedoch zunehmend als nicht zielführend – sie steht der Lebensrealität junger Patient:innen entgegen und kann psychisch belastend wirken. Ein individuell abgestimmtes, kontrolliertes Training ist in vielen Fällen möglich – vorausgesetzt, es erfolgt auf Grundlage eines strukturierten, risikoadaptierten Plans. Das neue Konzept soll helfen, Ängste abzubauen, Orientierung zu geben und zugleich psychisches Wohlbefinden sowie Begleiterkrankungen positiv zu beeinflussen.
Trainingssicherheit hängt von individuellem Risikoprofil ab
Nach Einschätzung der Münchner Kardiolog:innen und Sportwissenschaftler:innen hängt die Trainingssicherheit bei Patient:innen mit ARVC maßgeblich von der Art der körperlichen Belastung und dem individuellen Risikoprofil ab. Die aktuelle Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler (DGPK) [1] bleibt in ihren Empfehlungen allgemein und nennt Krafttraining nicht explizit. Sie unterscheidet zwischen Genträger:innen ohne typische Befunde und solchen mit phänotypischer Ausprägung – also klaren Krankheitsmerkmalen im Herzmuskel.
Für beide Gruppen gilt: Leistungssport und hochintensive Freizeitaktivitäten sollten vermieden werden. Bei Vorliegen einer phänotypischen Ausprägung können milde bis moderate körperliche Aktivitäten unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein – etwa, wenn keine belastungsinduzierten Rhythmusstörungen, Synkopen oder Kreislaufstillstände dokumentiert sind.
Forschungsteam will standardisierte Trainingsprogramme entwickeln
Erste Einschätzungen aus dem Münchner Forschungsteam deuten darauf hin, dass kurze, gezielte Belastungen sowie moderates Krafttraining tendenziell unproblematisch sein könnten. Empfohlen werden etwa kurze Power-Walks, zügiges Treppensteigen oder isometrische Übungen wie Wandsitzen und Hanteltraining. Längere Ausdauereinheiten – etwa durchgehendes Joggen – sollten hingegen vermieden werden.
Im Rahmen des Forschungsprojekts sollen auf Basis dieser Erkenntnisse standardisierte Trainingsprogramme entwickelt werden. Perspektivisch ist auch eine Integration in eine App geplant, um die Trainingsintensität individuell steuern und dokumentieren zu können.
Quelle:Deutsche Herzstiftung e.V./Deutsche Stiftung für Herzforschung
Literatur:
- (1)
Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler (DGPK) (Hg.), Dubowy K.-O. et al., S2k-Leitlinie „Sport bei angeborenen Herzfehlern und erworbenen Herzerkrankungen“, abrufbar unter: https://register.awmf.org/assets/guidelines/023-042l_S2k_Sport-bei-angeborenen-und-erworbenen-Herzerkrankungen_2022-12.pdf, 23.11.2022.