Was bringt Melatonin wirklich?
David Meier M.Sc.In unserer hektischen, von künstlichem Licht geprägten Welt leiden immer mehr Menschen unter Schlafproblemen. Melatonin, das körpereigene Schlafhormon, wird dabei zunehmend als natürliche Lösung beworben. Von Drogerien bis zu Online-Shops – überall sind Melatonin-Präparate erhältlich, die einen besseren Schlaf versprechen. Doch was steckt wirklich hinter diesem Hormon? Wie wirkt Melatonin auf unseren Körper und unsere Psyche, welche Nebenwirkungen können auftreten und ist die Einnahme wirklich so unbedenklich, wie oft behauptet wird?
Was ist Melatonin?
Melatonin ist ein natürliches Hormon, das hauptsächlich in der Zirbeldrüse (Epiphyse) im Gehirn produziert wird und eine zentrale Rolle bei der Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus spielt. Die Produktion von Melatonin folgt einem klaren Tag-Nacht-Rhythmus: Bei Dunkelheit steigt die Melatonin-Ausschüttung an, während Licht die Produktion hemmt.
Melatonin ist auch als synthetisches Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel erhältlich, wird aber wegen möglicher gesundheitlicher Risiken und fehlender Zulassung bei Nahrungsergänzungsmitteln nicht uneingeschränkt empfohlen.
Wie wirkt Melatonin?
Melatonin wirkt als natürlicher Zeitgeber für unseren Körper und signalisiert ihm, wann es Zeit zum Schlafen ist. Das Hormon bindet an spezielle Melatonin-Rezeptoren im Gehirn, insbesondere im Hypothalamus, der als zentrale Schaltstelle für den zirkadianen Rhythmus fungiert.
Die Wirkung von Melatonin-Präparaten unterscheidet sich grundlegend von klassischen Schlafmitteln. Während herkömmliche Schlafmittel oft sedierend wirken und den Schlaf regelrecht „erzwingen“, arbeitet Melatonin subtiler: Es bereitet den Körper auf den Schlaf vor, indem es die Körpertemperatur leicht senkt, den Blutdruck reduziert und das Nervensystem beruhigt. Diese Effekte signalisieren dem Körper, dass es Zeit ist, zur Ruhe zu kommen.
Ein wichtiger Aspekt ist der richtige Einnahmezeitpunkt: Nimmt man Melatonin zu einem Zeitpunkt ein, an dem man üblicherweise schläft, kann es die Schlafqualität verbessern. Nimmt man es jedoch zur falschen Zeit ein, kann es den Schlaf-Wach-Rhythmus durcheinanderbringen. Es kann bis zu drei Wochen dauern, bis man eine deutliche Wirkung bemerkt, da sich der Körper erst an die externe Melatonin-Zufuhr anpassen muss.
Wie wirkt Melatonin auf die Psyche?
Die Wirkung von Melatonin auf die Psyche ist komplex und hängt stark von der individuellen Melatonin-Produktion und -Balance ab. Ein ausgewogener Melatonin-Spiegel ist wichtig für das psychische Wohlbefinden, da das Hormon nicht nur den Schlaf, sondern auch die Stimmung beeinflusst.
Stellt der Körper zu viel Melatonin her, können Müdigkeit, Antriebslosigkeit und gedrückte Stimmung entstehen. Dies erklärt teilweise, warum manche Menschen in den dunklen Wintermonaten unter saisonalen Depressionen leiden, wenn die Melatonin-Produktion aufgrund der geringeren Lichtexposition erhöht ist. Umgekehrt kann ein zu geringer Melatonin-Spiegel zu Ein- und Durchschlafproblemen führen, was wiederum die psychische Gesundheit beeinträchtigen kann.
Bei Menschen mit Depressionen ist oft der natürliche Melatonin-Rhythmus gestört. Ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus kann depressive Symptome verstärken, während eine Depression ihrerseits den natürlichen Melatonin-Rhythmus beeinträchtigen kann. Die Lichttherapie, die oft bei saisonalen Depressionen eingesetzt wird, wirkt teilweise über die Regulation der Melatonin-Produktion. Helles Licht am Morgen kann die Melatonin-Ausschüttung hemmen und so helfen, den natürlichen Rhythmus zu stabilisieren.
Wie lange schläft man mit Melatonin?
Die Schlafdauer unter Melatonin-Einnahme hängt von verschiedenen Faktoren ab und unterscheidet sich deutlich von der Wirkung klassischer Schlafmittel. Melatonin verlängert nicht automatisch die Schlafdauer, sondern verbessert in erster Linie die Schlafqualität und erleichtert das Einschlafen. Eine zu hohe Melatonin-Dosis oder ein falscher Einnahmezeitpunkt können den Schlaf-Wach-Rhythmus durcheinanderbringen kann.
Die Wirkungsdauer von Melatonin beträgt aufgrund der Halbwertszeit von 3,5 bis 4 Stunden etwa 6 bis 8 Stunden. Dies entspricht ungefähr einer normalen Schlafperiode. Bei retardierten (verzögert freisetzenden) Melatonin-Präparaten stellt sich eine Langzeitwirkung ein, die auch beim Durchschlafen helfen kann. Diese Formulierungen geben das Melatonin über mehrere Stunden kontinuierlich ab, was dem natürlichen Melatonin-Verlauf in der Nacht näher kommt.
Welche Nebenwirkungen hat Melatonin?
Obwohl Melatonin-Präparate im Allgemeinen als gut verträglich gelten, können durchaus Nebenwirkungen auftreten. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Kopfschmerzen, Schwindel und Desorientiertheit. Diese Symptome treten besonders dann auf, wenn Melatonin in zu hoher Dosierung oder zum falschen Zeitpunkt eingenommen wird. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Übelkeit, Magenbeschwerden, Müdigkeit am Tag und Konzentrationsstörungen.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weist auf mögliche gesundheitliche Risiken hin, besonders bei langfristiger unkontrollierter Einnahme. Da viele Menschen mit Ein- oder Durchschlafproblemen melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel auch langfristig ohne ärztliche Kontrolle einnehmen, können sich unerwünschte Wirkungen entwickeln oder verstärken.
Kann man bedenkenlos Melatonin nehmen?
Die Antwort auf diese Frage ist ein klares Nein – Melatonin sollte nicht bedenkenlos eingenommen werden, auch wenn es als Nahrungsergänzungsmittel frei verkäuflich ist. Obwohl die Gefahren einer Überdosierung mit frei verkäuflichen Mitteln eher gering sind, da der Körper Melatonin sehr schnell abbaut, sollte eine regelmäßige Einnahme vorab mit dem Arzt oder der Ärztin besprochen werden. Dies gilt insbesondere für Kinder, Jugendliche, Schwangere und Stillende sowie Menschen mit Leber-, Nieren- oder Autoimmunerkrankungen.
Literatur:
- (1)
Melatonin – MSD Manual, abrufbar unter: https://www.msdmanuals.com/de/profi/spezielle-fachgebiete/nahrungserg%C3%A4nzungsmittel/melatonin, letzter Zugriff: 11.11.2025.
- (2)
Brzezinski A. et al. (2005) Effects of exogenous melatonin on sleep: a meta-analysis. Sleep medicine reviews vol. 9,1 (2005): 41-50.
- (3)
Bundesinstitut für Risikobewertung: Melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel: BfR weistauf mögliche Gesundheitsrisiken hin, abrufbar unter: https://www.bfr.bund.de/cm/343/melatoninhaltige-nahrungsergaenzungsmittel-bfr-weist-auf-moegliche-gesundheitsrisiken-hin-2024.pdf, letzter Zugriff: 11.11.2025.