Dienstag, 19. März 2024
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Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes)

von Palma Pelaj

Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes)
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Ungefähr 5 von 100 Frauen leiden während ihrer Schwangerschaft an Gestationsdiabetes. Was sind die Ursachen für die Entstehung eines Schwangerschaftsdiabetes? Wie wird er erkannt und wie sieht die Behandlung aus? Welche Folgen hat die Stoffwechselerkrankung für Mutter und Kind? All diese Fragen haben wir hier für Sie beantwortet!
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Was ist ein Schwangerschaftsdiabetes?

Der Schwangerschaftsdiabetes (auch Gestationsdiabetes mellitus oder Typ-4-Diabetes genannt) kann im Rahmen einer Schwangerschaft auftreten. In diesem Fall spricht man von einem Schwangerschafts- oder Gestationsdiabetes. Es handelt sich hierbei um eine Stoffwechselerkrankung, die zu einem erhöhten Blutzuckerwert führt. In den meisten Fällen verschwindet der Gestationsdiabetes mellitus nach der Geburt. Während der Schwangerschaft sollte er allerdings erkannt und behandelt werden, um Folgeschäden für Mutter und Kind zu vermeiden.
 
 

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Was sind die Ursachen für die Entstehung eines Schwangerschaftsdiabetes?

Werdende Mütter sind in der Schwangerschaft einer enormen Veränderung ihres Körpers ausgesetzt. Vor allem der Einfluss der Schwangerschaftshormone in der 2. Schwangerschaftshälfte führt zu Veränderungen des Stoffwechsels. Die vermehrte Hormonausschüttung sorgt dafür, dass größere Energiemengen in Form von Zucker im Blut der werdenden Mutter bereitgestellt werden. Der erhöhte Blutzucker ist wichtig, um das Wachstum und die Versorgung des ungeborenen Kindes zu gewährleisten. Um den Zucker aus dem Blut zu filtern und im Körper zu verteilen, produzieren die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse das Hormon Insulin. In der Schwangerschaft wird die 4-fache Menge Insulin hergestellt, wodurch der erhöhte Blutzucker in der Regel ausgeglichen werden kann. Jedoch wird durch die hormonellen Veränderungen während der Schwangerschaft die Wirkung des Insulins beeinträchtigt. Dieser Zustand, der auch als Insulinresistenz bezeichnet wird, tritt in der Schwangerschaft immer auf. Reicht die produzierte Menge Insulin nicht mehr aus, um den Blutzucker zu senken, spricht man von einem Insulinmangel, der zu dauerhaft erhöhten Blutzuckerwerten führt. Ist der Blutzuckerspiegel über einen längeren Zeitraum erhöht, entsteht ein Gestationsdiabetes.

Was sind Risikofaktoren für die Entstehung eines Schwangerschaftsdiabetes?

Theoretisch können alle schwangeren Frauen an Schwangerschaftsdiabetes erkranken. Manche Frauen haben jedoch ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Gestationsdiabetes.

Folgende Risikofaktoren können die Entstehung eines Gestationsdiabetes begünstigen:
 
  • starkes Übergewicht (Body-Mass-Index ab 30)
  • Schwangerschaftsdiabetes in einer vorherigen Schwangerschaft
  • familiäre Fälle von Diabetes (erbliche Vorbelastung)
  • höheres Alter
  • ungesunde Ernährung
  • PCO-Syndrom (= Bläschen an den Eierstöcken, die u.a. zu Zyklusstörungen führen)

Welche Folgen kann ein Schwangerschaftsdiabetes für Mutter und Kind haben?

Bleibt der Schwangerschaftsdiabetes unbehandelt, kann das sowohl für die Mutter als auch für das Kind gesundheitliche Folgen haben.

Mögliche Folgen für die Mutter können sein:
 
  • zu viel Fruchtwasser
  • Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Harnwegsinfektionen
  • Gestose (Schwangerschaftsvergiftung)
  • Präeklampsie
  • Komplikationen bei der Geburt
  • Entstehung eines Diabetes Typ 2 nach der Schwangerschaft
Mögliche Folgen für das Kind können sein:
 
  • erhöhtes (ungesundes) Wachstum (4,5 kg bei der Geburt)
  • Fehlbildungen (schwache Lunge, Herzfehler)
  • Diabeteserkrankung im späteren Leben
  • erhöhtes Diabetes-Risiko
  • erhöhtes Bluthochdruck-Risiko
Wird der Gestationsdiabetes rechtzeitig erkannt und behandelt, verläuft die Schwangerschaft im Normalfall gut und das Kind kommt gesund zu Welt.
 
 

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Was sind typische Symptome von Schwangerschaftsdiabetes?

Meist treten in Folge des Gestationsdiabetes keine Symptome auf, weshalb die Erkrankung ohne entsprechende Untersuchungen unerkannt bleiben kann. Steigt der Blutzuckerspiegel akut stark an, kann es zu folgenden Beschwerden kommen:
 
  • Müdigkeit
  • Schwäche
  • starker Durst
Da diese Beschwerden jedoch nicht spezifisch sind, werden sie häufig als Schwangerschaftssymptome gedeutet. Bei einem hohen Risiko für einen Schwangerschaftsdiabetes ist deshalb der Screening-Test im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung von besonderer Relevanz.

Wie wird die Diagnose Schwangerschaftsdiabetes gestellt?

Jeder Schwangeren wird im Rahmen eines Routinescreenings Blut abgenommen, um den Blutzuckerspiegel zu bestimmen. Die Probenentnahme erfolgt zu einem beliebigen Zeitpunkt. Liegt der Blutzuckerwert über 200 mg/dl, wird der Schwangeren ein weiteres Mal in nüchternem Zustand (vor der Nahrungsaufnahme) Blut abgenommen, um den Nüchternblutzuckerwert zu bestimmen. Liegen die Werte erneut über den normalen Blutzuckerwerten (< 92 mg/dl), wird der orale Glukose-Toleranztest (oGTT) durchgeführt.

Oraler Glukosetoleranztest (oGTT) bei Schwangerschaftsdiabetes

Bei Risikopatientinnen wird der sogenannte orale Glukose-Toleranztest durgeführt. Dieser misst, wie gut der Körper eine größere Zuckermenge verarbeiten kann. Hierbei wird mithilfe einer Blutentnahme der Nüchternblutzuckerwert der Schwangeren bestimmt, der unter 92 mg/dl liegen sollte. Im nächsten Schritt trinkt die Patientin eine Wasserlösung mit 75 Gramm Glukose. Eine Stunde später wird erneut Blut abgenommen und der Blutzucker bestimmt, der zu diesem Zeitpunkt unter 180 mg/dl liegen sollte. Zwei Stunden nach Einnahme der Zuckerlösung wird der Test ein weiteres Mal wiederholt. Der normale Blutzuckerwert liegt hier bei 153 mg/dl.

Werden einer oder mehrer der folgenden Blutzuckerwerte überschritten, wird die Diagnose Schwangerschaftsdiabetes gestellt:
 
  • Nüchternblutzuckerwert: ≥ 92 mg/dl (5,1 mmol/l)
  • nach 1h: ≥ 180 mg/dl (10,0 mmol/l)
  • nach 2h: ≥ 153 mg/dl (8,5 mmol/l)
Bei einem Nüchternblutzuckerwert von ≥ 126 mg/dl (7,0 mmol/l) oder einem Blutzuckerwert von ≥ 200 mg/dl (11,1 mmol/l) 2 Stunden nach der Lösungseinnahme handelt es sich nicht um einen Schwangerschaftsdiabetes, sondern um einen in der Schwangerschaft neu aufgetretenen Typ-1 oder Typ-2-Diabetes.
 
 

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Wie wird ein Schwangerschaftsdiabetes behandelt?

1. Schritt der Gestationsdiabetes-Therapie: Ernährungsumstellung

Genau wie in der Behandlung des Diabetes Typ 2 wird im ersten Schritt versucht durch Ernährungsumstellung den Blutzuckerspiegel zu senken. In den meisten Fällen reicht dieser Therapieschritt bereits aus.
Über mehrere Wochen messen betroffene Frauen mehrmals täglich ihren Blutzucker, um beurteilen zu können, ob die Behandlung anschlägt.

Folgende Werte sollten erreicht werden:
 
  • Nüchternblutzuckerwert (vor dem Frühstück): < 95 mg/dl (5,3 mmol/l)
  • 1 Stunde nach der Hauptmahlzeit: < 140 mg/dl (7,8 mmol/l)
  • 2 Stunden nach der Hauptmahlzeit: < 120 mg/dl (6,7 mmol/l)
Nicht jede Messung muss zwingend in diesem Bereich liegen. Erst wenn die Hälfte der Messungen über einen längeren Zeitraum den empfohlenen Blutzuckerspiegel überschreitet, muss eine Insulintherapie eingeleitet werden. Wenn die Blutzuckerwerte sich verbessern, muss die Patientin nur noch 2-mal täglich messen.

Wie sieht die passende Ernährung bei Schwangerschaftsdiabetes aus?

Die Ernährungsumstellung erfolgt patientenindividuell. Ausschlaggebend ist das Gewicht der Betroffenen, ihre Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten. In der Schwangerschaft ist die Einhaltung einer strengen Diät nicht empfehlenswert, da der Körper Energie und Nährstoffe braucht, um den Fötus zu versorgen.

Den meisten Schwangeren wird empfohlen
 
  • Kohlenhydrate zu reduzieren und
  • vermehrt Eiweiße und Fett zu sich zu nehmen.
Bei stark übergewichtigen Frauen kann außerdem die Kalorienzufuhr festgelegt werden.

2. Schritt der Gestationsdiabetes-Therapie: Bewegung

Mehr Bewegung kann dabei helfen, den Blutzuckerspiegel zu senken. Inwiefern das für die Betroffene möglich ist, hängt von der Belastbarkeit der Patientin während ihrer Schwangerschaft ab.
Empfohlen wird beispielsweise 3-mal wöchtlich für eine halbe Stunde zügig zu gehen. Diese intensive Bewegung reicht in den meisten Fällen bereits aus, um den Blutzucker zu senken.

Gibt es eine medikamentöse Therapie bei Schwangerschaftsdiabetes?

Es gibt keine Medikamente in Tablettenform, die offiziell für die Behandlung von Schwangerschaftsdiabetes zugelassen sind und empfohlen werden. In seltenen Fällen wird das Medikament Metformin jedoch „Off-Lable“ eingesetzt. Es konnten gute Ergebnisse mit dem Wirkstoff erzielt werden. Da der Wirkstoff für die Behandlung dieser Erkrankung nicht offiziell zugelassen ist, muss die Patientin eine Einverständniserklärung unterschreiben.

Insulintherapie bei Schwangerschaftsdiabetes

Gelingt es nicht, den Blutzuckerwert auf ein angemessenes Niveau zu senken, muss eine Insulintherapie eingeleitet werden. Das Hormon wird unter die Haut gespritzt und senkt den Blutzuckerspiegel. Jede 4. Patientin mit Gestationsdiabetes wird mit Insulin behandelt. Mit dem Einsetzen der Wehen wird die Therapie abgebrochen.

Detailliertere Informationen zur Insulintherapie bei Diabetes mellitus

Weitere Informationen zu Behandlung entnehmen Sie der S3-Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft.

Wie kann einem Schwangerschaftsdiabetes vorgebeugt werden?

Die Vermeidung von Risikofaktoren, kann einem Schwangerschaftsdiabetes vorbeugen. In der Vorbereitung auf eine Schwangerschaft sollten sich Frauen also
 
  • viel bewegen,
  • ausgewogen ernähren und
  • Normalgewicht erreichen.

Redaktion journalmed.de