Pulmonale Hypertonie: Schleichender Beginn mit schweren Folgen
Dr. rer. nat. Marion Adam und Nina HaußerDie pulmonale Hypertonie ist keine seltene Erkrankung. Im Gegenteil, sie betrifft weltweit etwa 1% der Bevölkerung. Die Erkrankung wird in fünf verschiedene Arten unterteilt, die alle einen Lungenhochdruck gemeinsam haben, sich jedoch stark in Bezug auf ihre Häufigkeit, klinische Bedeutung und Therapie unterscheiden.
Was ist Pulmonale Hypertonie?
Der Begriff „pulmonale Hypertonie“ (PH) beschreibt zunächst einen spezifischen hämodynamischen Zustand und stellt noch keine eigenständige Diagnose dar. Diagnostisch wird sie über eine invasive hämodynamische Messung mittels Rechtsherzkatheteruntersuchung definiert, wobei ein mittlerer pulmonalarterieller Druck (mPAP) von mehr als 20 mmHg in Ruhe als Grenzwert gilt. Die pulmonale Hypertonie umfasst verschiedene Untergruppen, die sich in ihrer Ätiologie, Pathophysiologie und therapeutischen Ansätzen unterscheiden.
Bei Patient:innen mit PH kommt es zu strukturellen Veränderungen der Lungenarterien: Die Gefäßwände verdicken und versteifen zunehmend, wodurch ihre natürliche Dehnbarkeit verloren geht. Diese pathologischen Umbauprozesse führen zu einem erhöhten pulmonalen Gefäßwiderstand, der den Blutfluss vom Herzen zur Lunge erheblich beeinträchtigt. Die hämodynamischen Veränderungen belasten das rechte Herz kontinuierlich, da es gegen den gesteigerten Widerstand anpumpen muss. Ohne adäquate Therapie kann sich eine rechtsseitige Herzinsuffizienz entwickeln, die unbehandelt einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen kann.
Wie wird die Pulmonale Hypertonie klassifiziert?
Die moderne Einteilung der pulmonalen Hypertonie orientiert sich an den zugrundeliegenden Krankheitsursachen und ordnet verschiedene Erkrankungsbilder nach gemeinsamen Entstehungsmechanismen, Symptommustern und Behandlungsstrategien:
Typ 1: Pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH)
Hierbei handelt es sich um primäre Veränderungen der kleinsten Lungengefäße, bei denen Wandverdickungen und Zellwucherungen den Blutfluss behindern. Trotz ihrer Seltenheit verläuft diese Form besonders aggressiv und manifestiert sich bevorzugt bei jüngeren Menschen, vor allem bei Frauen. Die Ursachen reichen von genetischen Faktoren über Arzneimittelnebenwirkungen bis hin zu Begleiterscheinungen bei Autoimmunleiden, Virusinfektionen oder Lebererkrankungen.
Typ 2: Pulmonale Hypertonie infolge einer Linksherzerkrankung
Der Großteil aller PH-Fälle entsteht durch Funktionsstörungen des linken Herzens. Pumpschwäche oder Klappendefekte führen zu einem Druckanstieg im Lungenkreislauf, da das Blut nicht effizient aus der Lunge abtransportiert werden kann. Diese Rückstauung belastet sekundär die Lungengefäße.
Typ 3: Pulmonale Hypertonie infolge Lungenerkrankung und/oder Hypoxie
Chronische Atemwegserkrankungen wie Asthma, Lungenfibrose oder Emphysem schädigen das Lungengewebe und reduzieren den Sauerstoffgehalt im Blut. Diese Veränderungen lösen Anpassungsreaktionen in den Lungengefäßen aus, die zu einem moderaten Druckanstieg führen.
Typ 4: Chronische thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH)
Unaufgelöste Blutgerinnsel nach Lungenembolien können dauerhafte Gefäßverschlüsse verursachen. Diese mechanischen Hindernisse zwingen das Herz zu verstärkter Pumpleistung. Als einzige PH-Variante lässt sich diese Form durch operative Eingriffe zur Gerinnselentfernung behandeln.
Typ 5: Pulmonale Hypertonie mit mehreren unterschiedlichen Ursachen oder unklarer Ursache
Verschiedene Systemerkrankungen, Blutkrankheiten oder Stoffwechselstörungen können auf unterschiedlichen Wegen zu pulmonaler Hypertonie führen. Die vielschichtigen Entstehungsmechanismen erfordern individuell angepasste Behandlungskonzepte, die sich primär an der Grunderkrankung orientieren.
Wie häufig ist die Pulmonale Hypertonie und wer ist betroffen?
Entgegen früheren Annahmen handelt es sich bei der pulmonalen Hypertonie um ein weitverbreitetes Krankheitsbild. Epidemiologische Erhebungen belegen, dass etwa 1% der Weltbevölkerung betroffen ist. Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Erkrankungshäufigkeit deutlich an – bei Senior:innen über 65 Jahren liegt sie bei rund 10%. Die Verteilungsmuster variieren erheblich zwischen den verschiedenen PH-Subtypen. Deutsche Registerdaten aus dem Jahr 2014 dokumentieren für die pulmonal arterielle Hypertonie eine Neuerkrankungsrate von knapp 4 Fällen sowie eine Gesamthäufigkeit von etwa 26 Fällen je eine Million erwachsener Personen. Ähnliche Inzidenzzahlen zeigen sich bei der chronisch thromboembolischen Variante.
Deutlich häufiger sind jedoch sekundäre Formen der pulmonalen Hypertonie. Herzinsuffizienz stellt dabei eine Hauptursache dar: Von den geschätzten 1,3 Millionen herzkranken Patient:innen in Deutschland entwickelt etwa jede:r Zweite eine begleitende PH. Bei rund einem Zehntel dieser Patient:innen entsteht eine besonders schwerwiegende kombinierte Form, was bundesweit bis zu 50.000 Betroffene bedeuten könnte. Respiratorische Grundleiden, insbesondere obstruktive und fibrotische Lungenerkrankungen, bilden eine weitere bedeutsame Patientengruppe mit vergleichbaren Häufigkeitszahlen.
International dominieren kardiale und pulmonale Grunderkrankungen als PH-Auslöser. In Entwicklungsregionen prägen jedoch spezifische Krankheitsmuster das Bild: Hier entstehen PH-Formen häufig durch angeborene Herzfehler oder Infektionen wie Schistosomiasis, HIV-Erkrankungen und rheumatische Herzleiden, wobei vorwiegend jüngere Patient:innen betroffen sind.
Welche Symptome hat die Pulmonale Hypertonie?
Die Beschwerden bleiben lange Zeit uncharakteristisch, weshalb zwischen ersten Krankheitszeichen und korrekter Diagnosestellung oft Jahre vergehen. Die Hauptsymptome umfassen:
Belastungsdyspnoe
Fatigue und Schwäche
Synkopen während oder nach Belastungen
Herzrhythmusstörungen
Ödeme
Schwindel
Mit fortschreitender Erkrankung verstärken sich die bestehenden Symptome erheblich. Besonders alarmierend sind Bewusstlosigkeitsanfälle, die während oder unmittelbar nach körperlicher Aktivität auftreten. Häufige Ohnmachtsanfälle schon bei minimaler Belastung signalisieren einen kritischen Krankheitszustand mit erheblich gesteigertem Mortalitätsrisiko. Bei fortgeschrittener Rechtsherzbelastung entwickelt sich das klassische Bild der kardialen Dekompensation: Patient:innen zeigen gestaute Halsvenen, Flüssigkeitsansammlungen im Bauchraum sowie ausgeprägte Beinödeme. Diese Symptomkombination weist auf erhöhte Druckverhältnisse im rechten Herzen hin.
Wie wird die Pulmonale Hypertonie diagnostiziert?
Die diagnostische Herangehensweise bei Verdacht auf pulmonale Hypertonie verfolgt zwei zentrale Zielsetzungen: die möglichst frühe Krankheitserkennung sowie die präzise Identifikation der zugrundeliegenden Pathomechanismen. Diese systematische Vorgehensweise ermöglicht eine gezielte Therapieplanung entsprechend der jeweiligen PH-Subgruppe. Da die klinischen Beschwerden primär durch die Funktionsbeeinträchtigung des rechten Ventrikels entstehen, steht die Beurteilung der rechtsventrikulären Morphologie und Funktion im Mittelpunkt der initialen Diagnostik. Die systematische Abklärung von Grunderkrankungen wie Herz- oder Lungenleiden ist essentiell für die korrekte PH-Klassifikation und damit für die Auswahl der optimalen Behandlungsstrategie.
Basisdiagnostik
Ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung
12-Kanal-EKG zur Erfassung rechtsventrikulärer Belastungszeichen
Thorax-Röntgenaufnahme
Transthorakale Echokardiographie als Screening-Methode
Erweiterte Diagnostik
Lungenfunktionstests mit Blutgasanalyse
Hochauflösende Computertomographie des Thorax
Ventilations-Perfusions-Szintigraphie
Kardiale Magnetresonanztomographie
Invasive Diagnostik
Rechtsherzkatheteruntersuchung als diagnostischer Goldstandard
Vasoreaktivitätstestung bei PAH-Verdacht
Wie wird die Pulmonale Hypertonie diagnostiziert?
Die Behandlung der pulmonalen Hypertonie erfordert einen individualisierten Ansatz, der sich primär an der zugrundeliegenden Ätiologie orientiert. Entscheidend für den Therapieerfolg ist die präzise Klassifikation der PH-Form, da sich die Behandlungsstrategien zwischen den verschiedenen Subtypen grundlegend unterscheiden.
Allgemeine Therapiemaßnahmen
Unabhängig von der PH-Form bilden supportive Maßnahmen das Fundament der Behandlung:
Diuretika bei Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz und Flüssigkeitsretention
Langzeit-Sauerstofftherapie bei arterieller Hypoxämie (pO₂ < 60 mmHg)
Behandlung von Eisenmangel und Anämie
Regelmäßige Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken
Überwachte Rehabilitation und angepasste körperliche Aktivität
Psychosoziale Betreuung und Patientenschulung
Spezifische Therapie der pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH)
Für Patient:innen mit PAH stehen verschiedene zielgerichtete Medikamentenklassen zur Verfügung:
Kalziumkanalblocker: Bei positiver Vasoreaktivitätstestung (< 10% der PAH-Patient:innen) können hochdosierte Kalziumantagonisten wie Nifedipin, Diltiazem oder Amlodipin eingesetzt werden.
PAH-spezifische Medikamente: Phosphodiesterase-5-Hemmer, Endothelin-Rezeptor-Antagonisten, Prostazyklin-Analoga, Prostazyklin-Rezeptor-Agonisten
Therapie der sekundären PH-Formen (Gruppen 2-5)
Bei sekundären PH-Formen steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund:
Gruppe 2 (Linksherzerkrankungen): Leitliniengerechte Herzinsuffizienztherapie, Klappeninterventionen oder hämodynamisches Monitoring mittels implantierbarer Drucksensoren zur Optimierung der Medikation.
Gruppe 3 (Lungenerkrankungen): Behandlung der respiratorischen Grunderkrankung, Sauerstofftherapie bei chronischer Hypoxämie.
Gruppe 4 (CTEPH): Pulmonale Endarteriektomie als Therapie der ersten Wahl, alternativ Ballon-Pulmonalisangioplastie. Medikamentös ist Riociguat zugelassen, positive Studiendaten existieren für Macitentan und Treprostinil. Lebenslange Antikoagulation ist bei allen CTEPH-Patient:innen indiziert.
Gruppe 5: Behandlung der zugrundeliegenden systemischen Erkrankung.
Die moderne PAH-Therapie hat die Prognose erheblich verbessert. Entscheidend ist die frühzeitige Diagnosestellung und Behandlung in spezialisierten PH-Zentren mit multidisziplinärer Expertise.
Häufig gestellte Fragen zum Thema Pulmonale Hypertonie
Rund um das Thema Pulmonale Hypertonie stellen sich für Betroffene und Angehörige oft viele Fragen: zur Diagnose, zu Behandlungsmöglichkeiten, zu Nebenwirkungen oder zum Alltag mit der Erkrankung. In dieser Patient:innen-FAQ finden Sie Antworten auf die häufigsten Fragen.
Literatur:
- (1)
Hoeper MM et al. (2017) Pulmonale Hypertonie, Deutsches Ärzteblatt, DOI: 10.3238/arztebl.2016.0073
- (2)
Douschan P et al. (2023) Die neue Definition und Klassifikation der pulmonalen Hypertonie, Pneumologie, DOI: 10.1055/a-2145-4648
- (3)
Deutsche Herzstiftung: Lungenhochdruck (pulmonale Hypertonie), abrufbar unter: https://herzstiftung.de/infos-zu-herzerkrankungen/herz-und-andere-organe/lungenhochdruck
- (4)
European Lung Foundation: Pulmonale Hypertonie, abrufbar unter: https://europeanlung.org/de/information-hub/lung-conditions/pulmonale-hypertonie/
- (5)
European Society of Cardiology: ESC Pocket Guidelines, abrufbar unter: https://leitlinien.dgk.org/files/12_2022_pocket_leitlinien_pulmonale_hypertonie.pdf