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Medizin

Einsatz von Smartphones kann Detektionsrate von Vorhofflimmern bei Älteren mehr als verdoppeln

Einsatz von Smartphones kann Detektionsrate von Vorhofflimmern bei Älteren mehr als verdoppeln
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Vorhofflimmern (VHF) erhöht das Schlaganfall- und Mortalitätsrisiko, allerdings tritt es oft asymptomatisch auf (1). Die Folge: VHF bleibt bei vielen Betroffenen unentdeckt und sie erhalten keine effektive Schlaganfallprophylaxe. Ein VHF-Screening mit Smartphones kann die Detektions- und Behandlungsrate bei Personen ab 60 Jahren im Vergleich zur Regelversorgung mehr als verdoppeln, wie die kürzlich vorgestellte, randomisierte Studie eBRAVE-AF gezeigt hat (2).

Vorhofflimmern: häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung

Mit einer Prävalenz von 2-4% der Erwachsenen ist VHF die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung und geht mit einem 5-fach erhöhten Schlaganfallrisiko und einer erhöhten Mortalität einher (1). Das Alter ist ein wichtiger VHF-Risikofaktor. Aufgrund des demografischen Wandels ist daher eine Zunahme der VHF-Fälle zu erwarten: Bei den > 65-Jährigen in der EU wird ein Anstieg von etwa 8 Millionen Fällen im Jahr 2020 auf etwa 14 Millionen Fälle im Jahr 2060 prognostiziert (1).

VHF oft asymptomatisch und wird spät diagnostiziert

Zwar kann VHF mit diversen Symptomen einhergehen, jedoch sind diese oft unspezifisch oder das VHF tritt asymptomatisch auf und wird oft erst dann diagnostiziert, wenn ein Ereignis eingetreten ist: 50-87% der Betroffenen weisen zu Beginn keine Symptome auf und bei 10% aller ischämischen Schlaganfälle wird ein zuvor undiagnostiziertes VHF entdeckt (1).

eBRAVE-AF: Doppelt so hohe Detektionsrate von VHF durch Smartphone-Screening vs. Regelversorgung

Die eBRAVE-AF-Studie untersuchte in einem 2-phasigen Prozess die Effektivität eines digitalen VHF-Screenings (zertifizierte Smartphone-App gefolgt von EKG-Patch) im Vergleich zur Regelversorgung bei Personen ohne dokumentiertes VHF. Primärer Endpunkt der eBRAVE-AF-Studie war eine neue VHF-Diagnose innerhalb von 6 Monaten, die zur Behandlung mit oralen Antikoagulanzien durch eine:n unabhängigen Ärzt:in führte (2). Die Teilnehmenden wurden randomisiert einer 6-monatigen digitalen Screening-Strategie für VHF (n = 2.860) oder Regelversorgung (n = 2.691) zugewiesen. Nach 6 Monaten wurden die Teilnehmenden, die keine VHF-Diagnose erhalten hatten, zu einer 2. Studienphase mit umgekehrter Zuordnung eingeladen (2). In beiden Studienphasen war die Detektionsrate von behandlungsrelevantem VHF unter dem Smartphone-gestützten Screening mehr als doppelt so hoch im Vergleich zur Regelversorgung (1. Studienphase: Odds Ratio (OR) 2,12; 95 %-Konfidenzintervall (KI) 1,19–3,76; p = 0,010; 2. Studienphase: OR 2,75; 95 %-KI 1,42–5,34; p = 0,003). Damit war das Smartphone-gestützte Screening der Regelversorgung in beiden Studienarmen bezüglich der Detektion von behandlungsrelevantem VHF überlegen (2).

Digitales VHF-Screening: Zertifizierung als Medizinprodukt nötig

„Die eBRAVE-AF-Studie unterstreicht erneut das große Potenzial von digitalen Anwendungen beim Screening auf VHF – insbesondere da in dieser Studie ein direkter Vergleich zur Regelversorgung untersucht wurde“, betonte Dr. Johanna Schmölders, Medical Advisor Cardiovascular, Bristol Myers Squibb. „Um möglichst viele undetektierte VHF-Betroffene rechtzeitig diagnostizieren und prophylaktisch behandeln zu können, sollten alle Möglichkeiten eingesetzt werden, die neue mobile Technologien bieten. Dazu ist neben der wissenschaftlichen Untersuchung dieser Anwendungen eine Zertifizierung als Medizinprodukt sowie die Akzeptanz von Ärzteschaft, Politik und Krankenversicherungen notwendig“, ergänzte Dr. Henning Witt, Medical Director Real World Evidence, Pfizer Deutschland.
 
 

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1. direkter Vergleich von Smartphone Screening vs. Regelversorgung zur Detektion von VHF

Die randomisierte offene Cross-over-Studie eBRAVE-AF widmete sich der Fragestellung, ob sich die Detektions- und Behandlungsrate von VHF bei Personen ab 50 Jahren mit Hilfe von Smartphones im Vergleich zur Regelversorgung steigern lässt (3). Bei eBRAVE-AF handelt es sich um den 1. direkten Vergleich eines Smartphone-gestützten Screenings mit der Regelversorgung zur Detektion von behandlungsrelevantem VHF (2). In vorherigen Studien konnte zwar bereits das Potenzial von Smart Devices, wie Smartwatches, im VHF-Screening demonstriert werden. Allerdings wurde in diesen Studien das Screening mit Smart Devices nicht direkt mit dem Screening der Regelversorgung verglichen. Zudem wurden jüngere Erwachsene eingeschlossen, für die das Screening keine große Relevanz hat (4,5). Die eBRAVE-AF-Studie schloss 5.551 Versicherte einer großen Krankenversicherungsgesellschaft (Versicherungskammer Bayern) ein, die ein Smartphone besaßen und auf die die Einschlusskriterien zutrafen – ein Alter von 50-90 Jahren sowie ein CHA2DS2-VASc-Score ≥ 1 bei Männern und ≥ 2 bei Frauen. Patient:innen mit einer vorherigen Diagnose von VHF oder einer Verschreibung oraler Antikoagulanzien wurden ausgeschlossen (3). Das Alter der Studienteilnehmenden lag im Median bei 65 Jahren, 31 % waren Frauen (2).

Apps messen Pulsunregelmäßigkeiten mit Smartphonesensor

Teilnehmer:innen des digitalen Screenings luden eine zertifizierte App (Preventicus Heartbeats, Preventicus, Jena) auf ihr Smartphone. Diese maß Pulsunregelmäßigkeiten mit dem photoplethysmographischen (PPG) Sensor des Telefons, wenn der Zeigefinger auf die Kamera des Smartphones gelegt wurde (3). Während der ersten 14 Tage der Screening-Phase wurden die Studienteilnehmenden instruiert, 2-mal täglich eine 1-minütige photoplethysmographische Pulswellenmessung durchzuführen sowie darauffolgend je 2 Messungen pro Woche bis zum Ende des 6-monatigen digitalen Screenings. Die App nutzte Push-Benachrichtigungen als Erinnerungshilfe. Bei Unregelmäßigkeiten in den Messungen wurde ein 14-tägiges EKG mit Hilfe eines EKG-Pflasters durchgeführt. Wurde der Verdacht auf VHF durch das EKG bekräftigt, wurden die Teilnehmenden gebeten, ihren Hausarzt oder ihre Hausärztin zu konsultieren, der/die die Behandlungsentscheidung traf und nicht an der Studie beteiligt war (3).

ESC empfiehlt systematisches VHF-Screening ab 75 Jahren

Zur Detektion von VHF empfehlen die Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) ein opportunistisches Screening durch Pulsmessung oder EKG bei Patient:innen > 65 Jahre sowie bei Personen mit Hypertonus oder Schlafapnoe. Bei Personen > 75 Jahre oder bei hohem Schlaganfallrisiko sollte dagegen ein systematisches EKG-Screening in Betracht gezogen werden (1). Smarte Devices werden in der ESC-Leitlinie als neue Perspektive zur VHF-Detektion erwähnt, allerdings sind nicht alle mobilen Anwendungen klinisch validiert (1). Daher wird empfohlen, die endgültige Diagnose von VHF in Screening-positiven Fällen (z.B. bei Einkanal-EKGs, > 30 s) von Ärzt:innen überprüfen oder mittels eines 12-Kanal-EKGs bestätigen zu lassen (1).

Großes Potenzial eines breit verfügbaren, App-basierten Screenings

Die in der eBRAVE-AF-Studie gezeigten hohen Detektionsraten unterstreichen das große Potenzial eines breit verfügbaren, App-basierten Screenings im Vergleich zu einer Untersuchung in der Regelversorgung (2). Mit Hilfe von digitalen Screenings lassen sich in einer breiten Population Risikoindividuen identifizieren und, falls nötig, einer prophylaktischen Behandlung zuführen.

Quelle: Pfizer

Literatur:

(1) Hindricks G und Potpara T et al. 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association of Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Eur Heart J 2021; 42(5):373–498.
(2) Rizas KD et al. Smartphone-based screening for atrial fibrillation: a pragmatic randomized clinical trial. Nat Med 2022; 28(9):1823–30.
(3) Freyer L et al. Rationale and design of a digital trial using smartphones to detect subclinical atrial fibrillation in a population at risk: The eHealth-based bavarian alternative detection of Atrial Fibrillation (eBRAVE-AF) trial. Am Heart J 2021; 241:26–34.
(4) Perez MV et al. Large-Scale Assessment of a Smartwatch to Identify Atrial Fibrillation. N Engl J Med 2019; 381(20):1909–17.
(5) Guo Y et al. Mobile Photoplethysmographic Technology to Detect Atrial Fibrillation. J Am Coll Cardiol 2019; 74(19):2365–75.



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