Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV): Gefahr für Säuglinge und Senior:innen
Nina HaußerDas Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) führt zu Infektionen der oberen und unteren Atemwege. Besonders Säuglinge und Kleinkinder sind von schweren RSV betroffen, die in besonders schweren Fällen nicht selten eine medizinische Behandlung oder einen Aufenthalt im Krankenhaus erfordern.
Was ist RSV?
Das Respiratory Syncytial Virus (RSV) stellt einen RNA-Virus aus der Familie der Pneumoviridae dar, zu der auch das humane Metapneumovirus gehört. Charakteristisch für RSV ist das Vorkommen in zwei distinkten Genotypen A und B, die unterschiedliche epidemiologische Muster aufweisen können. Als humanspezifischer Erreger zeigt RSV eine ausgeprägte Affinität für das respiratorische Epithel und befällt Zellen entlang des gesamten Atemwegtrakts – von den oberen Atemwegen bis hin zu den Alveolen. Der Mensch fungiert dabei als einziges klinisch relevantes Reservoir für das humane RSV. Das klinische Spektrum einer RSV-Infektion erstreckt sich von milden Erkrankungen der oberen Atemwege, die den Großteil der Fälle ausmachen, bis hin zu schwerwiegenden Infektionen der unteren Atemwege, die insbesondere bei vulnerablen Patient:innen lebensbedrohliche Verläufe nehmen können.
Wie häufig ist RSV und wer ist betroffen?
Das Respiratory Syncytial Virus stellt einen der bedeutsamsten Erreger respiratorischer Infektionen weltweit dar und betrifft Patient:innen aller Altersgruppen. Besondere klinische Relevanz besitzt RSV als führende Ursache von Atemwegserkrankungen bei Säuglingen – insbesondere Frühgeborenen –, Kleinkindern sowie älteren Erwachsenen. RSV-Infektionen folgen einem charakteristischen saisonalen Muster. In Deutschland erstreckt sich die RSV-Saison typischerweise von November/Dezember bis März/April, mit einem Erkrankungsgipfel von etwa 4-8 Wochen Dauer, der meist in den Monaten Januar und Februar liegt.
Die epidemiologische Bedeutung von RSV wurde lange Zeit unterschätzt. Aktuelle globale Schätzungen zeigen jedoch eine jährliche Inzidenz RSV-assoziierter akuter unterer Atemwegserkrankungen von etwa 95 Fällen pro 1.000 Kindern im ersten Lebensjahr, wobei 16 Fälle pro 1.000 Kinder eine stationäre Behandlung erfordern. Weltweit führt RSV zu schätzungsweise 3,6 Millionen hospitalisierten Patient:innen und etwa 100.000 Todesfällen bei Kindern unter fünf Jahren jährlich. Etwa die Hälfte der RSV-bedingten Todesfälle tritt bei Säuglingen unter sechs Monaten auf, wobei 97% der pädiatrischen Todesfälle in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen verzeichnet werden.
Wie wird RSV übertragen?
Das Respiratory Syncytial Virus wird primär durch respiratorische Tröpfchenübertragung von infizierten auf empfängliche Personen übertragen. Als Haupteintrittspforten fungieren die Schleimhäute der oberen Atemwege – insbesondere die zilientragenden Epithelzellen – sowie die Konjunktiven. Neben der direkten Tröpfcheninfektion spielt die indirekte Übertragung über kontaminierte Oberflächen, Gegenstände und Hände eine bedeutende Rolle.
Welche Symptome zeigt eine RSV-Infektion?
RSV-Infektionen zeigen ein breites klinisches Spektrum, das von inapparenten Verläufen bis zu lebensbedrohlichen respiratorischen Erkrankungen reicht. Nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich vier bis sieben Tagen entwickeln sich die ersten klinischen Zeichen.
Klinische Manifestationen bei Erstinfektion
Erstinfektionen verlaufen nahezu ausnahmslos symptomatisch und beginnen typischerweise mit Zeichen einer oberen Atemwegsbeteiligung. Das initiale Beschwerdebild umfasst nasale Sekretion, Rachenbeschwerden, Cephalgie und allgemeine Abgeschlagenheit. Fieber tritt bei pädiatrischen Patient:innen regelmäßig auf, kann jedoch bei sehr jungen Säuglingen fehlen. Innerhalb weniger Tage kann sich das Krankheitsbild auf die unteren Atemwege ausweiten. Charakteristisch sind dann ein zunehmend produktiver Husten, Atemnot mit erhöhter Atemfrequenz sowie bronchiale Obstruktionszeichen mit exspiratorischem Stridor.
Bronchiolitis im Säuglingsalter
Bei Säuglingen manifestiert sich die RSV-Erkrankung häufig als Bronchiolitis mit deutlicher Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens. Typische Zeichen sind Nahrungsverweigerung, gastroösophagealer Reflux mit Erbrechen sowie ausgeprägte respiratorische Symptome. Schwere Verläufe können sich durch eine „stumme Obstruktion“ mit beschleunigter Atmung und peripherer Minderperfusion präsentieren. Frühgeborene zeigen charakteristischerweise rezidivierende Atemstillstände.
Reinfektion und Verlaufsvarianten
Wiederholte RSV-Infektionen sind altersunabhängig möglich. Während bei Kindern auch Zweitinfektionen die unteren Atemwege betreffen können, zeigen sie meist einen milderen Verlauf als Primärerkrankungen. Erwachsene entwickeln bei Reexposition häufig nur diskrete Symptome der oberen Atemwege oder bleiben asymptomatisch.
Wie wird RSV diagnostiziert?
Die Diagnosestellung einer RSV-Infektion basiert auf dem Zusammenspiel klinischer Präsentation, epidemiologischer Faktoren und laborchemischer Erregeridentifikation. Während Symptomatik und Patientenalter diagnostische Hinweise liefern können, ist für eine definitive Diagnose der direkte Virusnachweis erforderlich.
Nukleinsäure-Amplifikationstechniken mittels PCR stellen den diagnostischen Goldstandard dar. Diese Methoden zeichnen sich durch hohe Sensitivität, Spezifität und Geschwindigkeit aus, selbst bei geringer Viruslast. Immunochromatographische Schnelltests ermöglichen den RSV-Nachweis als Einzeltest oder in Kombination mit anderen Erregern wie SARS-CoV-2 oder Influenza A/B. Die diagnostische Leistungsfähigkeit zeigt jedoch deutliche Limitationen: Die Sensitivität liegt bei etwa 74%, während die Spezifität mit 98% zufriedenstellend ist. Erhebliche Qualitätsunterschiede zwischen verschiedenen Herstellern sind dokumentiert.
Wie wird eine RSV-Infektion therapiert?
Für RSV-Infektionen existiert keine spezifische antivirale Behandlung. Die Therapie erfolgt rein symptomatisch und supportiv, angepasst an den individuellen Krankheitsverlauf. Die Basisbehandlung umfasst eine adäquate Flüssigkeitszufuhr zur Sekretmobilisation sowie die Freihaltung der oberen Atemwege mittels isotoner Kochsalzspülungen oder -tropfen. Je nach Schweregrad können Sauerstoffgabe, CPAP-Therapie oder invasive Beatmung erforderlich werden.
Wie kann man einer RSV-Infektion vorbeugen?
In der EU sind drei RSV-Impfstoffe zugelassen: zwei proteinbasierte Vakzine und ein mRNA-Impfstoff. Für die passive Immunisierung stehen außerdem zwei monoklonale Antikörper zur Verfügung.
Was empfiehlt die STIKO?
Seit Juni 2024 empfiehlt die STIKO allen Neugeborenen und Säuglingen unabhängig von Risikofaktoren eine Nirsevimab-Prophylaxe. Säuglinge mit Geburt zwischen April-September erhalten die Gabe im Herbst vor der ersten RSV-Saison, während der Saison Geborene möglichst rasch nach Geburt.
Seit August 2024 wird außerdem eine einmalige RSV-Impfung für alle Personen ≥75 Jahre als Standardimpfung empfohlen. Für 60-74-Jährige mit schweren Grunderkrankungen oder Pflegeheimbewohner:innen gilt eine Indikationsimpfung. Die Impfung sollte im Spätsommer/Herbst erfolgen und kann mit Influenza- bzw. COVID-19-Impfungen kombiniert werden.
Zur maternalen Impfung sieht die STIKO die aktuelle Datenlage als unzureichend für eine Empfehlung an.
Häufig gestellte Fragen zum Thema RSV
Rund um das Thema RSV stellen sich für Betroffene und Angehörige oft viele Fragen: zur Diagnose, zu Behandlungsmöglichkeiten, zu Nebenwirkungen oder zum Alltag mit der Erkrankung. In dieser Patient:innen-FAQ finden Sie Antworten auf die häufigsten Fragen.
Literatur:
- (1)
Robert Koch-Institut: RSV-Infektionen, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/RKI-Ratgeber/Ratgeber/Ratgeber_RSV.html, zuletzt abgerufen am 07.11.2025.
- (2)
WHO: Respiratory syncytial virus (RSV), abrufbar unter: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/respiratory-syncytial-virus-(rsv), zuletzt abgerufen am 07.11.2025.