Schlaganfall – Jede Minute zählt
David Meier M.Sc.Jedes Jahr erleiden in Deutschland rund 270.000 Menschen einen Schlaganfall (Apoplex), ca. 3 Viertel davon zum ersten Mal und ein Viertel zum wiederholten Male. Trotz der modernen Behandlungsmöglichkeiten versterben immer noch 25-33% dieser Patient:innen an den Folgen eines Schlaganfalls. Von den Überlebenden leiden bis zu 40% an erheblichen funktionellen Einschränkungen, die von Problemen beim Sprechen bis zu Lähmungen reichen.
Was ist ein Schlaganfall?
Beim Schlaganfall handelt es sich um eine plötzlich auftretende Durchblutungsstörung im Gehirn, wodurch es zu einer Schädigung von Gehirngewebe kommt. Da die Gehirnzellen bereits innerhalb weniger Minuten beginnen abzusterben, handelt es sich bei einem akuten Schlaganfall um einen medizinischen Notfall. Eine schnelle Behandlung ist entscheidend, um das Risiko für bleibende Hirnschäden und andere Komplikationen zu verringern. Erfolgt keine schnelle Behandlung ist auch ein tödlicher Ausgang der Erkrankung möglich.
Wie häufig ist ein Schlaganfall?
In Deutschland erleiden jährlich rund 270.000 Menschen einen Apoplex, wobei die Zahl der neuauftretenden Schlaganfälle in den letzten Jahren zunimmt. Obwohl das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, mit zunehmendem Alter steigt, hat sich die Häufigkeit bei Erwachsenen ab 65 Jahren in den letzten 30 Jahren weltweit nicht erhöht. Dies ist auf verbesserte Behandlungsmöglichkeiten zurückzuführen. In der Altersgruppe der Unter-65-Jährigen stiegen die Fallzahlen dagegen an, was auf zunehmende Fälle von Adipositas und Bluthochdruck zurückzuführen ist.
Welche Arten von Schlaganfall gibt es?
Ischämischer Schlaganfall (Hirninfarkt)
Bei ca. 80% aller Schlaganfälle handelt es sich um ischämische Schlaganfälle. Dabei wird die Durchblutung des Gehirns durch einen Verschluss eines Blutgefäßes unterbrochen (zerebrale Ischämie). Dies kann aufgrund eines Thrombus oder durch eine Embolie geschehen. Das betroffene Hirngewebe erhält keinen Sauerstoff mehr und beginnt abzusterben, wenn die Durchblutung nicht schnell wiederhergestellt wird.
Hämorrhagischer Schlaganfall (Hirnblutung)
Der hämorrhagische Schlaganfall macht etwa 15-20% aller Schlaganfälle aus und entsteht durch eine Blutung im Gehirn. Das austretende Blut schädigt das Hirngewebe sowohl direkt durch Druck als auch indirekt durch die Unterbrechung der normalen Durchblutung. Im Unterschied zum ischämischen Schlaganfall ist das Hauptproblem also nicht die verminderte Sauerstoffzufuhr, sondern die neurotoxische Wirkung und der Druck, den das austretende Blut auf das Gehirngewebe ausübt.
Es gibt 2 Arten von hämorrhagischen Schlaganfällen:
Die intrazerebrale Blutung ist die häufigste Form des hämorrhagischen Schlaganfalls. Sie tritt auf, wenn eine Arterie im Gehirn platzt und das umliegende Gewebe mit Blut überflutet.
Die Subarachnoidalblutung ist eine seltenere Form des hämorrhagischen Schlaganfalls. Dabei handelt es sich um Blutungen im Bereich zwischen dem Gehirn und den Hirnhäuten.
Beide Schlaganfall-Formen teilen viele Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und Rauchen. Beim ischämischen Schlaganfall spielen zusätzlich Herzrhythmusstörungen und Gefäßverkalkung eine wichtige Rolle, beim hämorrhagischen sind Aneurysmen und extreme Blutdruckspitzen besonders relevant.
Welche Ursachen hat ein Schlaganfall?
unkontrollierter Bluthochdruck
Aneurysmen
Trauma (z.B. ein Autounfall)
Eiweißablagerungen in den Blutgefäßwänden, die zu einer Schwäche der Gefäßwand führen (zerebrale Amyloid-Angiopathie)
ischämische Infarkte, die zu einer Blutung führen
Riss eines abnormen Gefäßgeflechts mit dünnen Wänden (arteriovenöse Malformation)
Was sind Risikofaktoren für einen Schlaganfall?
Viele Faktoren können das Schlaganfallrisiko erhöhen. Zu den potenziell behandelbaren Schlaganfall-Risikofaktoren gehören:
Lebensstil-Risikofaktoren für einen Apoplex
Übergewicht oder Fettleibigkeit
körperliche Inaktivität
Tabakkonsum
starker oder übermäßiger Alkoholkonsum
Konsum von Drogen wie Kokain oder Methamphetamin
Medizinische Risikofaktoren für einen Apoplex
Hypertonie
Fettstoffwechselstörung
hoher Cholesterinspiegel
Diabetes mellitus (Typ I und Typ II)
obstruktive Schlafapnoe
Gerinnungsstörungen
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
persönliche oder familiäre Vorgeschichte mit Schlaganfall, Herzinfarkt oder transitorischer ischämischer Attacke
Weitere Faktoren, die mit einem höheren Schlaganfallrisiko in Verbindung gebracht werden, sind:
Alter: höheres Risiko im höheren Alter
Geschlecht: Männer haben höheres Risiko als Frauen
Einnahme von Hormonen
Welche Symptome treten bei einem Schlaganfall auf?
Ein Schlaganfall ist ein medizinischer Notfall, bei dem jede Minute zählt. Die Symptome treten meist plötzlich auf und können das Leben der betroffenen Person erheblich beeinträchtigen oder sogar bedrohen.
Zu den Anzeichen und typischen Symptomen eines Schlaganfalls gehören:
Sprachstörungen: Stockende, abgehackte Sprache, Verdrehen von Silben oder falsche Buchstaben, verwaschene oder lallende Aussprache, in schweren Fällen: völlige Sprachlosigkeit
Sehstörungen: plötzliche Einschränkung des Gesichtsfeldes, Störungen des räumlichen Sehens mit Orientierungsproblemen, Doppelbilder
plötzlicher Schwindel
Lähmungen oder Taubheitsgefühle im Gesicht, Arm oder Bein
plötzliche starke Kopfschmerzen: vorher nicht gekannte, äußerst heftige Kopfschmerzen, oft verbunden mit Übelkeit und Erbrechen
Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen
Gangunsicherheit
plötzlich auftretende Benommenheit (auch Bewusstlosigkeit)
Der FAST-Test: Schnelle Erkennung von Schlaganfall-Symptomen im Notfall
Der FAST-Test ist eine bewährte Methode zur schnellen Überprüfung der wichtigsten Schlaganfall-Symptome:
F - Face (Gesicht): Bitten Sie die Person zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab, deutet das auf eine Halbseitenlähmung hin.
A - Arms (Arme): Lassen Sie die Person beide Arme nach vorne strecken und die Handflächen nach oben drehen. Bei einer Lähmung kann ein Arm nicht gehoben werden oder sinkt ab.
S - Speech (Sprache): Bitten Sie die Person, einen einfachen Satz nachzusprechen. Klingt die Stimme verwaschen oder ist dies nicht möglich, liegt vermutlich eine Sprachstörung vor.
T - Time (Zeit): Wenn eines der obigen Symptome zutrifft, ist eine schnelle Einleitung der Therapie notwendig. Fragen Sie die Angehörigen, wie lange die Symptome bereits andauern.
Wie wird ein Schlaganfall diagnostiziert?
Da nur in den ersten Stunden eine Therapie möglich ist, muss der Patient oder die Patientin möglichst schnell in eine geeignete Klinik gebracht werden. Dort erfolgt die Diagnose in der Regel durch einen Neurologen oder durch eine Neurologin oder im Rahmen einer Stroke Unit (Schlaganfall-Spezialstation).
Akutdiagnostik
Die Akutdiagnostik beinhaltet eine Untersuchung des Patienten oder der Patientin mittels FAST-Test bzw. ABCDE-Schema. Das ABCDE-Schema ist ein standardisiertes Notfall-Untersuchungsprotokoll, das auch bei der Schlaganfall-Diagnose eine zentrale Rolle spielt. Es handelt sich um einen systematischen Ansatz zur Erstbeurteilung kritisch kranker Patienten.
Das ABCDE-Schema
A – Airway (Atemwege): Sind die Atemwege frei?
B - Breathing (Atmung): Überprüfung der Atemfrequenz, Atemmechanik und Sauerstoffsättigung
C - Circulation (Kreislauf): Überprüfung von Blutdruck, Puls, Herzrhythmus und Durchblutung
D – Disability (neurologische Defizite): Überprüfung der Bewusstseinslage und neurologischer Ausfälle, Blutzucker messen, Medikamentenplan kontrollieren
E - Exposure/Environment (Entkleidung/Umgebung): vollständige Untersuchung des entkleideten Patienten, Überprüfung der Körpertemperatur
Klinische Diagnostik
Nach der ersten Untersuchung wird in den meisten Fällen zunächst eine Computertomographie (CT) des Kopfes durchgeführt. Sie liefert detaillierte Bilder des Gehirns und seiner Blutgefäße und dient zur Unterscheidung zwischen ischämischem und hämorrhagischem Schlaganfall. Steht die Ursache fest, können sofort die passenden therapeutischen Maßnahmen eingeleitet werden.
Die Kernspintomographie (Magnetresonanztomographie, MRT) liefert liefert im Vergleich zur CT deutlich genauere Ergebnisse, benötigt jedoch mehr Zeit und ist kostenintensiver. Deshalb wird sie in der Akutdiagnostik meist nicht als erste Untersuchungsmethode eingesetzt. Die MRT erlaubt es, den Ort und das Ausmaß der Schädigung sehr genau zu bestimmen und so auch die Chancen auf eine mögliche Erholung nach einem Schlaganfall besser einzuschätzen.
Eine Ultraschalluntersuchung (Doppler- und Duplexsonographie) der Hals- und Nackenarterien, einschließlich der Halsschlagader, zeigt, wie stark die Gefäße beispielsweise durch Arteriosklerose verengt sind. Zudem kann sie Hinweise auf den Ablösungsort eines Blutgerinnsels geben. Wird die Ultraschalluntersuchung auf die im Kopf liegenden Arterien ausgeweitet, lassen sich Verschlüsse oder Verengungen direkt im Gehirn erkennen.
Darüber hinaus spielt die Echokardiographie eine wichtige Rolle. Mit ihr können Veränderungen wie verdickte Herzwände oder eingeschränkt funktionierende Herzklappen festgestellt werden. Solche Veränderungen können die Entstehung von Blutgerinnseln begünstigen, die Schlaganfälle auslösen können.
Wie wird ein Schlaganfall behandelt?
Behandlung des ischämischen Schlaganfalls
Wenn die Diagnose eines ischämischen Hirninfarkt gestellt wurde, gibt es ein Zeitfenster, in dem eine thrombolytische Therapie mit tPA (Tissue Plasminogen Activator) in Frage kommt. tPA löst das Gerinnsel auf, das eine Arterie im Gehirn verstopft, und stellt die Blutversorgung wieder her (Thrombolyse). Bei vielen Patient:innen liegt dieses Zeitfenster bei 3 Stunden nach Auftreten der ersten Anzeichen. Bei bestimmten Patient:innen kann dieser Zeitraum auf 4,5 Stunden ausgedehnt werden. Wird der Patient oder die Patientin innerhalb kurzer Zeit versorgt, wird versucht, das Gerinnsel mechanisch mittels Katheterintervention zu entfernen (mechanische Thrombektomie).
Behandlung des hämorrhagischen Schlaganfalls
Im Gegensatz zum ischämischen Schlaganfall steht bei der hämorrhagischen Form nicht die Wiederherstellung der Durchblutung, sondern die Blutstillung und Druckentlastung im Vordergrund. Eine Lysetherapie könnte die Blutung verschlimmern und zum Tod führen. Daher ist es wichtig, vor Beginn der Behandlung zwischen einem hämorrhagischen und einem ischämischen Schlaganfall zu unterscheiden.
Blutdruckmanagement als zentrale Säule
Die Kontrolle des Blutdrucks ist von entscheidender Bedeutung. Der systolische Blutdruck sollte unter 140 mmHg gesenkt werden, um weitere Blutungen zu verhindern. Dabei muss die Senkung vorsichtig und kontrolliert erfolgen, da ein zu starker Abfall die Durchblutung gesunder Hirnareale gefährden kann. Gegebenenfalls muss eine operative Druckentlastung erfolgen um den Hirndruck zu senken.
Chirurgische Therapie
Nicht jede Hirnblutung erfordert eine Operation. Bei großen, oberflächlichen Blutungen oder drohender Einklemmung kann eine chirurgische Entfernung des Blutgerinnsels (Hämatomevakuation) lebensrettend sein. Moderne minimalinvasive Verfahren wie endoskopische Techniken oder Lysekatheter-Einlagen bieten schonendere Alternativen zur offenen Operation.
Je nach Blutungsursache sind spezielle Maßnahmen erforderlich. Bei einer Subarachnoidalblutung durch ein geplatztes Aneurysma muss dieses verschlossen werden - entweder durch einen neurochirurgischen Eingriff (Clipping) oder durch einen Kathetereingriff (Coiling).
Was sind die Folgen eines Schlaganfalls?
körperliche Folgen
Schwäche und Lähmung
Spastizität
Schwierigkeiten beim Gehen
Veränderte Empfindungen
kognitive Folgen
Beeinträchtigungen von Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Wahrnehmung
Auftreten von Depressionen
Die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit hängt von der Schwere des Schlaganfalls und der hervorgerufenen Komplikationen ab. Bei einem schweren Schlaganfall sind bleibende Schäden möglich.
Wie kann einem erneuten Schlaganfall vorgebeugt werden?
Lebensstilanpassungen
Viele Strategien zur Vorbeugung von erneuten Schlaganfällen sind die gleichen wie zur Vorbeugung von Herzkrankheiten. Zu den Empfehlungen für einen gesunden Lebensstil gehören im Allgemeinen:
Salzkonsum reduzieren (Empfehlung 5-6 g/Tag)
regelmäßige körperliche Aktivität
Kontrolle des Bluthochdrucks
Senkung der Menge an Cholesterin und gesättigten Fetten in der Ernährung
Beenden / Starke Einschränkung des Tabakkonsums
Beenden / Starke Einschränkung des Alkoholkonsums
Reduktion des Körpergewichts
Medikamente zur Schlaganfall-Prävention
Nach einem Schlaganfall können Medikamente helfen, das Risiko für einen erneuten Schlaganfall zu verringern. Dazu gehören:
Thrombozytenaggregationshemmer (z.B.: Acetylsalicylsäure, Dipyridamol, Clopidogrel)
orale Antikoagulation (Apixaban, Dabigatran, Rivaroxaban, Edoxaban)
Häufig gestellte Fragen zum Thema Schlaganfall
Rund um das Thema Schlaganfall stellen sich für Betroffene und Angehörige oft viele Fragen: zur Diagnose, zu Behandlungsmöglichkeiten, zu Nebenwirkungen oder zum Alltag mit der Erkrankung. In dieser Patienten-FAQ finden Sie Antworten auf die häufigsten Fragen.
Literatur:
- (1)
S3-Leitlinie Schlaganfall, AWMF-Register-Nr. 053-011DEGAM-Leitlinie Nr. 8, 2020, abrufbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/053-011, letzter Zugriff: 25.08.2025.
- (2)
Global, regional, and national burden of stroke and its risk factors, 1990–2021: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2021, DOI: 10.1016/S1474-4422(24)00369-7.
- (3)
MSD Manual – Übersicht zum Schlaganfall.