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Schwerpunkt Juli 2022

COPD: Update Diagnostik, Therapie und Prophylaxe

COPD: Update Diagnostik, Therapie und Prophylaxe
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Noch immer ist die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) nicht heilbar. Doch neue Therapien verbessern das Leben der Betroffenen. Welche neuen Ansätze zur Verfügung stehen, und wie Sie diese im hausärztlichen Versorgungsalltag umsetzen, erläutert der Pneumologe Prof. Dr. med. A. Gillissen M.Sc.

COPD-Behandlung in der hausärztlichen Praxis

Die Definition der COPD mit seinen Komponenten der chronischen Bronchitis, des Lungenemphysems sowie der Dyspnoesymptomatik, erfolgte erstmalig 1962 durch die American Thoracic Society Committee on Diagnostic Standards. Sucht man heute in PubMed unter dem Begriff „COPD“, bekommt man (Stand 15.06.2022) über 100.000 Treffer (zum Vergleich: bei Herzinsuffizienz (congestive heart failure) ca. 290.000 Treffer). Bei der COPD handelt es sich um eine Volkskrankheit. Interessant wird die Erkrankung auch dadurch, dass es im Detail immer wieder neue wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die zumindest partiell auch eine praktische Relevanz besitzen. Leider führt die Informationsfülle auch zu dem Phänomen, dass die gleiche wissenschaftliche Datenlage unterschiedlich interpretiert wird, was insbesondere im Vergleich der aktuellen GOLD-Empfehlung und der NVL-Leitlinie in der seit einem Jahr unveränderten Teilfassung auffällt. Während die Pneumologie diese Differenzen zu deuten vermag, ist es für nicht spezialisierte Hausärzt:innen, die zudem von allen Ärzt:innengruppen die meisten COPD-Patient:innen behandeln, verwirrend. Daher wurde in dieser Übersicht versucht die aktuellen Sichtweisen der beiden neusten COPD-Empfehlungen/Leitlinien in Bezug auf das praktische Patient:innenmanagement darzulegen. Der Fokus lag dabei auf einer up-to-date Darstellung und setzt Grundkenntnisse in der Versorgung von COPD-Patient:innen voraus. Schlussendlich obliegt es aber den behandelnden Ärzt:innen, ob mehr die nationale oder die internationale Behandlungsempfehlung Zuspruch findet und angewendet wird.
 
 

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Wann wird die Diagnose COPD gestellt?

Die COPD (chronisch-obstruktive Lungenerkrankung) ist wie folgt definiert (1):
 
  • Es ist eine chronische, in der Regel progrediente Erkrankung der Atemwege und der Lunge.
  • Die Atemwegsobstruktion ist nach Gabe von Bronchodilatatoren nicht vollständig reversibel.
  • Typisch sind eine chronischen Bronchitis (zusammen mit der Atemwegsobstruktion) und/oder ein Lungenemphysem. Letzteres führt zu einer irreversiblen Abnahme der Gasaustauschfläche der Lunge.
  • Die Atemwegsobstruktion, die Lungenüberblähung (Lungenemphysem) und die Gasaustauschstörung (Hypoxie, Hyperkapnie) können unabhängig voneinander in ihrem Ausprägungsgrad variieren.

Wichtige Leitlinien zu COPD

Seit ca. 30 Jahren werden von verschiedenen nationalen und internationalen Fachgesellschaften und Gruppierungen COPD-Leitlinien und -Empfehlungen herausgegeben, wobei die für Deutschland wichtigsten und neuesten sind:

•    die jährlich publizierte GOLD (global initiative for lung disease)-Initiative (2022) (2)
•    die NVL (Nationale Versorgungsleitlinie) der COPD (2021) mit Stand 06/2022 nur als Teilpublikation von 06/2021 publiziert (3) und
•    die COPD-Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga / der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (Liga / DGP) von 2018 (1)

Update Diagnostik der COPD – Unterschiede zwischen GOLD-Empfehlung und NVL-Leitlinie

Leider sind gerade die GOLD-Empfehlung und die NVL-Leitlinie in ihren Empfehlungen nicht immer kongruent. Dieses Update stellt die aktuellen und praxisrelevanten Neuerungen von GOLD und NVL vor.
Während die GOLD-Empfehlung Schweregrade entsprechend der spirometrischen Ergebnisse definiert (Tab. 1), wurde dieses Vorgehen in der NVL-Leitlinie verlassen. Die NVL empfiehlt zwar bei der Erstdiagnose zur Diagnosesicherung und Abgrenzung von Differentialdiagnosen die Durchführung einer Lungenfunktionsprüfung, nicht jedoch zur Therapiefestlegung, zur Verlaufs- und Therapiekontrolle. Für die Diagnose einer COPD sollen entsprechend der NVL die GLI (Global Lung Function Initiative)-Referenzwerte herangezogen werden, die wiederum auf der Verwendung der LLN (Lower Limit of Normal)-Werten als Definition der Atemwegsobstruktion beruhen (Tab. 2) (4, 5).
 
Tab. 1: Schweregradeinteilung der COPD basierend auf der FEV1 (Ein-Sekundenkapazität) (2).
Tab. 1

Begründet wird diese Empfehlung durch die höhere Wahrscheinlichkeit einer zu hohen COPD-Inzidenz bei Patient:innen >45 Jahre bei Verwendung des Grenzwertes von FEV1/FVC <70% und einer zu niedrigen in jüngeren Altersgruppen. GOLD weist aber darauf hin, das die Verwendung von FEV1/FVC gegenüber dem LLN hinsichtlich der Prognoseabschätzung nicht unterlegen sei und daher unverändert angewendet weden solle. Da die LLN-Werte in Deutschland (noch) nicht flächendeckend in den Spirometriegeräten zur Verfügung stehen und die Berechnung nur mittels einer Softwarelösung (online oder im Spirometriegerät) möglich ist, kann laut NVL nachrangig noch die FEV1/FVC (forcierte Vitalkapazität) von <70% als Maßstab verwendet werden, ab der eine Atemwegsobstruktion angenommen wird. Dazu verweist die NVL auf die Spirometrieleitlinie der DGP, die aber seit dem 06.05.2020 abgelaufen ist.
Tab. 2: Schweregrade der Atemwegsobstruktion unabhängig der zugrunde liegenden Erkrankung entsprechend der Spirometrieergebnisse. LLN = lower limit of normal (5)
Schweregrade der Atemwegsobstruktion unabhängig der zugrunde liegenden Erkrankung entsprechend der Spirometrieergebnisse. LLN = lower limit of normal (5)

Zur Therapiekontrolle und Festlegung der Therapieintensität werden sowohl in GOLD als auch in der NVL die Symptome und die Exazerbationen quantifziert. Die Wege dorhin sind aber unterschiedlich. GOLD empfiehlt zur Quantifizierung der Symptome die Verwendung des CAT (COPD Assessment Test) oder des mMRC (modified British Medical Research Council)-Fragebogens. Diese werden von der NVL trotz einer Fülle von Studien aus methodischen Gründen abgelehnt und man spricht dagegen eine „offene Empfehlung“ zur Verwendung eines eigenen Erhebungsinstruments aus, das aber weder validiert noch umfassend evaluiert wurde (Tab. 3).
Die bisherige GOLD-Empfehlung zur Erfassung der Exazerbationshäufigkeit und -schwere wurde in GOLD unverändert beibehalten. Die NVL empfiehlt hingegen die Verwendung des MEP-Fragebogens (Monitoring of Exacerbation Probability).
 
Tab. 3: Einteilung der Symtomschwere entsprechend der NVL-Leitlinie, die eine Anwendung als „offene Empfehlung“ ausspricht (3).
Einteilung der Symtomschwere entsprechend der NVL -Leitlinie
 

Update Therapie der COPD

Für die pharmakologische Therapie der COPD stehen zur Verfügung (6):
 
  • kurzwirksame inhalative Bronchodilatatoren (ß2 -Mimetika und ein Anticholinergikum), die zur Bedarfstherapie eingesetzt werden
  • langwirksame inhalative ß2 -Mimetika (LABA), z.B. Formoterol, Salmeterol, Indacaterol
  • langwirksame inhalative Anticholinergika (LAMA), z.B. Glycopyrronium, Aclidinium, Umeclidinium
  • inhalative Kortikosteroide (ICS), z.B. Budesonid, Fluticason
  • andere: ein oraler Phosphodiesteraseinhibitor-4, systemische Kortikosteroide, systemische ß2 -Mimetika, mukoaktive Substanzen und Antibiotika
 
 

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Der Einsatz richtet sich nach der Instabilität der Erkrankung, definiert über die Symptomschwere, die Symptomhäufigkeit und das Auftreten von Exazerbationen. Die NVL bewertet im Gegensatz zu GOLD zusätzlich noch das Vorhandensein einer COPD-Vortherapie bzw. die einer Therapienaivität. In der Summe ist das pharmakotherapeutische Vorgehen aber nicht schwer, hat sich nicht wesentlich verändert und richtet sich nach folgenden Grundsätzen (Abb. 1):
 
  • Kurzwirksame Bronchodilatatoren als Bedarfstherapeutika bei nur leicht kranken COPD-Patient:innen.
  • Ein LAMA oder ein LABA als nächste Therapiestufe. Oder je nach Symptomschwere/Exazerbationsrate und -schwere direkt als Kombination (vorzugsweise in einem Inhaler).
  • ICS eignen sich nur mit dem Ziel eine erhöhte Exazerbationsrate zu senken und nicht um die Lungenfunktion zu verbessern. Sie werden nur in Kombination mit mindestens einem inhalativen Bronchodilatator eingesetzt. Dafür stehen LABA/ICS- und LABA/LAMA/ICS-Kombinationspräparate zur Verfügung.
  • Patient:innen mit einer chronischen Bronchitis können zusätzlich zu einer inhalativen Basistherapie (z.B. LAMA/LABA, LABA/ICS) mit Roflumilast, dem einzigen in Deutschland verfügbaren oralen Phosphodiesteraseinhitibor, therapiert werden.
  • Die Pharmakotherapie der Exazerbation hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht wesentlich verändert. Theophyllin wird nicht mehr empfohlen.
  • Ältere Patient:innen (>65 Jahre) mit rezidivierenden Infektexazerbationen, Bronchiektasen und/oder einer krankheitsbestimmenden Besiedlung mit Problemkeimen (z.B. Pseudomonas aeroginosa) können auf individueller Basis prophylaktisch über Monate mit Antibiotika (Azithromycin oder Erythromycin) therapiert werden. Der Nutzen (Senkung von Exazerbationsrate und -schwere) ist aber gegenüber substanzspezifischen Nebenwirkungen (Innenohrschwerhörigkeit, Verlängerung QTc -Intervall) und dem Entstehen resistenter Keime abzuwägen.
  • Die Pharmakotherapie wird bei gegebener Indikation durch nicht-pharmakologische Therapiemaßnahmen flankiert, z.B. Atemtherapie, Langzeit-Heimsauerstofftherapie, nicht-invasive Beatmungstherapie, rehabilitative Maßnahmen inkl. Lungensport.

Bedeutung der eosinophilen Granulozyten im Blut

Eine niedrigere eosinophilen Menge im Blut (<2%) ist mit einer vermehrten Nachweis von Proteobakterien (z.B. Hämophilus), bakteriellen Infektionen, Infektexazerbationen und Pneumonien verbunden. Eine höhere Anzahl eosinophilen Granulozyten im Blut von COPD -Patienten ist mit einem besseren Therapieansprechen von ICS assoziiert. Ab einer Eosinophilenzahl von >300 Zellen/µl im Differentialblut wurde in post-hoc Analysen ein positives ICS-Ansprechen, z.B. in Form einer signifikanten Senkung der Exazerbationshäufigkeit beschrieben. ICS sind auch indiziert, wenn ein COPD-Asthma-Overlap vorliegt. Ab einer Eosinophilenzahl von <100 Zellen/µl haben ICS bei der COPD keinen Effekt mehr und sind daher nicht indiziert.

Update Prophylaxe der COPD

Ziel prophylaktischer Maßnahmen ist die Reduktion des Exazerbationsrisikos. Diese bestehen vor allem aus: Raucherentwöhnungsmaßnahmen, Behandlung der Begleiterkrankungen, Minimierung von inhalativen Exposionsstoffen am Arbeitsplatz und in Innenräumen, Gewichtsoptimierung, Maßnahmen zur Förderung der physischen Aktivität, Schulungen und Impfungen:
 
  • Bei allen Patient:innen ist jeden Spätherbst eine Influenza-Impfung empfohlen.
  • Patient:innen > 65 sollten mit dem PCV13 und dem PPSV23 geimpft werden. Auch bei jüngeren COPD-Patient:innen, die an chronischen Begleiterkrankungen leiden, sollte PPSV23 verimpft werden (7). Neu in GOLD ist die Übernahme der CDC (Center of Disease Control)-Empfehlung, ungimpfte Erwachsene oder geimpfte Erwachsene >50 Jahre zusätzlich gegen Pertussis, d.h. mit Tdap (dTaP/dTPa) zu impfen bzw. zu boostern.
  • Alle COPD-Patient:innen sollten gegen COVID entsprechend der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission geimpft werden, zumal die COPD ein Prädiktor für schwere COVID-19-Verläufe ist. 
Abb. 1: Darstellung der pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Therapie der COPD. Die Darstellung erfolgte getrennt entsprechend der Empfehlungen der NVL (Nationale Versorgungsleitlinie) -Leitlinie bzw. der GOLD (global initiative for chronic obstructive lung disease)-Empfehlung.
Lupe
Abb. 1: Darstellung der pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Therapie der COPD. Die Darstellung erfolgte getrennt entsprechend der Empfehlungen der NVL (Nationale Versorgungsleitlinie) -Leitlinie bzw. der GOLD (global initiative for chronic obstructive lung disease) -Empfehlung.
Literatur:

(1) Vogelmeier C, Buhl R, Burghuber O et al (2018) Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). Pneumol Stuttg Ger 72:253–308.
(2) Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease, Inc. (2022) Global strategy for prevention, diagnosis and management of COPD. GOLD Report.
(3) Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften Nationale Versorgungsleitlinie COPD - Teilpublikation der Langfassung, 2. Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), Berlin, 2021.
(4) Quanjer PH, Stanojevic S, Cole TJ et al (2012) Multi-ethnic reference values for spirometry for the 3-95-yr age range: the global lung function 2012 equations. Eur Respir J 40:1324–1343.
(5) Criée C-P, Baur X, Berdel D et al (2015) Leitlinie zur Spirometrie. Pneumol Stuttg Ger 69:147–164.
(6) Gillissen A, Kähler CM, Koczulla AR, Sauer R (2017) Aktuelle Therapieoptionen bei der COPD. MMW Fortschr Med 159:56–59.
(7) Pletz MW, Ewig S, Heppner HJ, Welte T (2015) Stellungnahme zur Empfehlung der Pneumokokken-Impfung für Erwachsene Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG). Pneumol Stuttg Ger 69:633–637.


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